Everest

Titel: Everest
Originaltitel: Everest
Regie: Baltasar Kormákur
Musik: Dario Marianelli
Darsteller: Jason Clarke, Josh Brolin, Jake Gyllenhaal

Mai 1996: Der Aufstieg auf den Mount Everest ist zu einer lukrativen Einnahmequelle für professionelle Bergsteiger geworden. Frauen und Männer – die meisten mit Bergsteigererfahrung – können sich für viel Geld in verschiedene und untereinander konkurrierende Teams einkaufen, um als Gruppe den Berg zu meistern. Dass immer wieder regelmäßig Menschen dabei an Erschöpfung oder an der Kälte sterben, schreckt zumindest Familienvater Beck Weathers (Josh Brolin) nicht ab. Er kauft sich in das Team von Rob Hall (Jason Clarke) ein, einem erfahrenen Bergsteiger, dessen schwangere Frau (Keira Knightley) daheim auf seine Rückkehr wartet. Ebenfalls am Berg befindet sich Scott Fischer (Jake Gyllenhaal), ein Freund und Konkurrent Halls, der sein eigenes Team auf den Gipfel bringen möchte. Der Aufstieg ist hart und kostet vielen der Frauen und Männer die letzten Kräfte. Doch als überraschend ein schwerer Sturm aufzieht, entwickelt sich der Abstieg zu einem nervenaufreibenden Überlebenskampf.

Für mich als erfahrenen Bergsteiger (ich selbst habe schon mehrfach den höchsten Berg Mittelfrankens gemeistert) war „Everest“ natürlich Pflichtprogramm. Aber abgesehen von meinem immens hohen persönlichen Bezug (ich weiß, wann bei so was Sauerstoff nötig ist und wann nicht) reizte mich vor allem der ausgezeichnete Cast des Films. Jason Clarke finde ich seit „Planet der Affen: Revolution“ äußerst sympathisch und der bullige Josh Brolin geht im Grunde immer. Ausschlaggebend war jedoch von Seiten des Casts Jake Gyllenhaal, der mit Filmen wie „Prisoners“, „Enemy“ und „Nightcrawler“ in letzter Zeit einen regelrechten Lauf hatte. Aber lohnt sich „Everest“ nun auch?

Der Film nimmt sich am Anfang viel Zeit, um auf das Bergsteigen an sich und vor allem auf die Charaktere einzugehen. Da werden zweifelnde Familienväter, werdende Väter, Journalisten, Alkoholiker und ambitionierte Postboten vorgestellt – aber eben alles nur relativ kurz und an der Oberfläche kratzend. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es eventuell besser gewesen wäre, wenn sich der Film auf zwei Figuren konzentriert und da richtigen Tiefgang entwickelt hätte. Vermutlich hätten sich hierbei die in Freundschaft miteinander verbundenen und sehr gegensätzlichen Bergsteiger Hall und Fischer angeboten. Ein wenig muss ich nun an das Sportlerdrama „Rush“ denken, in welchem die Rivalität zwischen den Rennfahrern Niki Lauda und James Hunt auf großartige Weise in den Fokus gerückt wurde.

Dennoch zahlt sich die Vorarbeit, die „Everest“ in der ersten Hälfte leistet, absolut aus. Wenn es zum dramatischen Abstieg kommt, fiebert man zwar nicht bis zum Äußersten mit, allerdings hat man für jede Figur etwas übrig, was den Film äußerst spannend macht. Dementsprechend liefert auch jeder der Darsteller eine gute Leistung ab, selbst der an und für sich uncharismatische Sam Worthington („Avatar“) fügt sich gut in das Gesamtbild. Hinzu kommen großartige Landschaftsaufnahmen, die einem ein gutes Gefühl für die extremen Landschaften und Bedingungen des Mount Everests vermitteln. Ein wenig schade ist es aber, dass der Film relativ neutral bleibt und kaum über Schuldzuweisungen oder die Kritik am kommerziellen Bergsteigen reflektiert. Und Diskussionen muss es damals gegeben haben, schließlich basiert „Everest“ auf den Buchveröffentlichungen mehrerer Überlebender, die das Geschehene stellenweise konträr darstellten.

Ich kann den Film all jenen empfehlen, die Lust auf einen spannenden Survival-Film haben, der den Konflikt Mensch gegen Natur in den Fokus nimmt und dabei kaum wertend eingreift. Empfehlen würde ich den Nichtwissenden außerdem, im Vorfeld einen Bogen um die historischen Ereignisse zu machen. Denn so hält der Film einiges an Überraschungen parat, was das Überleben, beziehungsweise Sterben seiner Protagonisten angeht. Darüber hinaus ist „Everest“ so gut, dass ich nach dem Kinobesuch ein wenig nachlesen wollte. Und da fand ich es doch sehr beklemmend zu erfahren, dass noch heute einige erforene Frauen und Männer von damals ungeborgen auf dem Berg liegen – und heutige Bergsteiger über manche Routen auch diese Leichen passieren müssen, wenn sie denn auf den Gipfel wollen.

„Everest“ erhält starke 8 von 10 Popcornguys!

2 Kommentare zu “Everest

  1. Ich muss leider sagen, dass mir der Film viel zu platt, unrealistisch und pseudodramatisch daher kommt. ..statt ewig über die einzelnen Familiendramen zu erfahren, was wirklich sehr oberflächlich dargestellt wird, hätte man – vor allem in 3d – viel mehr die Gewalt des Berges und seine Gefahren vertiefen können. .. statt jemanden total verfroren im Schnee liegen zu lassen und beim Gedanken an seine Frau auf einmal wieder laufen lassen zu können. …also, mir viel zu viel Hollywooddrama mit drin. War eher enttäuscht.

    • Es ist so eine Gradwanderung. Ein paar Bergaufnahmen mehr hätten mir zwar auch gefallen, aber ganz ohne Hintergrundgeschichten würde das ja auch verpuffen. Schließlich habe ich ansonsten ja keinen Grund, mit den Leuten mitzufiebern. Dass die Probleme oberflächlich waren, würde ich stellenweise auch so sehen. Beziehungsweise hätte ich gerne bei ein paar Charakteren mehr erfahren. Aber der Regisseur hat wohl einfach den Weg gewählt, möglichst viele Leute vorzustellen, damit bei jedem einzelnen mitfiebert.

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